Wenn man aus den Fenstern des Kabinettsaals blickt, sieht man Berlin vor sich liegen. Kirchtürme, den Reichstag, den Fernsehturm. Im Inneren des Saales sitzen jedoch nicht Bundesministerinnen und -minister, sondern ganz normale Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen. Und der Kabinettsaal befindet sich auch nicht in Berlin, sondern in Mainz.
Die Menschen in dem nachgebauten Kabinettsaal nehmen am Planspiel „Bundesregierung“ teil. Ein Großteil der Teilnehmer sind Mitglieder der Debattierclubs Mainz und Frankfurt. Das Planspiel ist Teil der Veranstaltungen rund um den Tag der Deutschen Einheit in Mainz. Der Raum in dem weißen Zelt sieht genauso aus wie der echte Kabinettsaal in Berlin. Nur mit dem Unterschied, dass es deutlich voller ist. Deshalb hat jedes Ministerium gleich mehrere Vertreter. Insbesondere das Bundeskanzleramt ist mit sechs Personen ungewöhnlich stark vertreten. In dieser Kabinettssitzung soll zu zwei Themen ein Gesetzentwurf für das Parlament beschlossen werden:
Sollte eine zusätzliche Steuer auf Fastfood eingeführt werden?
Sollte es eine Pflicht zur anonymen Bewerbung geben?
Nachdem sich die Ministerien nach den Standpunkten der anderen erkundigt haben und sich untereinander abgesprochen haben, beginnt die eigentliche Verhandlung über die Gesetzesentwürfe.
Die läuft zwar ganz anders ab, als man es von Clubdebatten gewöhnt ist. Ein paar Gemeinsamkeiten gibt es aber: Zunächst stellen die Antragsteller ihren Gesetzesentwurf vor. Dann kritisieren die Gegner und greifen Ungenauigkeiten an. Und schließlich bringen die Seiten abwechselnd ihre Argumente vor. Eines ist jedoch genau wie bei jeder OPD- oder BPS-Debatte: Man hat einfach zu wenig Zeit.
Mehrmals ermahnen die Spielleiter die Redner und weisen auf den engen Zeitplan hin. Denn nach dieser Verhandlungsrunde ist gleich die nächste Runde dran. Auch die Vertreter des Kanzleramts versuchen immer wieder, die Verhandlung zu einem Ergebnis zu bringen. Doch die Mainzer und Frankfurter Debattierer, die die meiste Zeit über die Verhandlung dominieren, kommen erst noch in Fahrt. Nach einer weiteren Ermahnung des Spielleiters und einigen ungeduldigen Blicken auf die Uhr, drängt das Kanzleramt zur Abstimmung.
Während der Antrag des Gesundheitsministeriums vorläufig nicht angenommen wird und bis zur nächsten Kabinettsitzung noch präzisiert werden soll, wird der Gesetzesentwurf der Pflicht zur anonymen Bewerbung mit einer relativ eindeutigen Mehrheit angenommen. Damit wurde immerhin einer der Anträge beschlossen – eine Seltenheit bei diesen Planspielen, wie der Spielleiter verrät.